Anna Schmid

Sophie Favre

Brigitte Marionneau

Hans-Ruedi Wüthrich

Vernissage in der station8:
14. Oktober 2017 17:00 bis 20:00

Öffnungszeiten station8:
Mittwoch 15 bis 18 Uhr
Samstag, Sonntag 13 bis 17 Uhr
oder nach Vereinbarung.

Ende der Ausstellung:
12. November 2017

Rundgang durch die Galerie

Texte zur Ausstellung. Von Eva Burfeind

Hans-Ruedi Wüthrich

Hans-Ruedi Wüthrich ist bekannt durch seine malerischen Inszenierungen, die rein Landschaftliches, die Natur in wechselreichen Atmosphären, aber auch architektonische Restlandschaften, Momente der «Natura morte» umfasst. Wandelbare Bildwirkungen, die vor allem eins sind: Ausdruck einer kreativen Neugier. Hans-Ruedi Wüthrich ist künstlerisch auf ständiger Entdeckungsreise und das führte ihn nun weiter in eine beinah konsequente Abstraktion, das heisst, der Künstler hat sich von einer fassbaren, gegenständlichen Natur befreit.

Denn wichtig ist jetzt der freiheitliche Malprozess, dieses Erkunden und Suchen von Spuren und Strukturen in der Natur wie in der Bildgestaltung, die er formal ins Bild hineinträgt – im wahrsten Sinne des Wortes – mit Pigmenten, Gefundenem und Verbliebenem aus der Natur. Der Natura morte jetzt als gestalterischem Bildbestandteil hat Hans-Ruedi Wüthrich mit Pinsel, Spachtel, den Künstlerhänden freien Lauf gelassen, verdichtet intuitiv im Bild ein schöpferisches Sediment künstlerischer Freiheit zu einer unmittelbaren, direkten Natur, die losgelöst ist von festen Begriffen und Rezeptionen.

Hans-Ruedi Wüthrich malt und inszeniert nun Empfindungsbilder, impulsiv und lustvoll, neugierig auf das, was unter seinen Händen wächst und entsteht. Gleichzeitig bleibt er weiterhin ein treffsicherer Interpret der Natur. Doch nun ist er  dicht an den Oberflächen, unter und in den Schichten von Erde, Landschaft und Wasser, so als ob er mit dem Material der Erde, den Farben der Natur oder den Bewegungen und Zeichen in den Wassertümpeln die inneren Strukturen und Spuren seziert und neu sichten will.

Die Farben sind erdig, steinern, weiss, gelb, grau, dazu das, was die Landschaft freigibt, Getrocknetes, Gras, Zweige, Blätter, Erde, Asche, vieles aus der Provence. Nun von Hans-Ruedi Wüthrich zu neuen subjektiven Ansichten der Landschaft komponiert, in Schichten, greifbar und vielgestaltig. Losgelöst von malerischen Regeln, von Pinselspuren und formaler Konzentration, zeigen seine neuen Arbeiten das Gesicht und das Wesen einer Landschaft, letztendlich das, was bleibt, wie die Natur entsteht und vergeht. Zudem hat Hans-Ruedi Wüthrich das bildnerische Moment der Wellen, die Spuren und Bewegungen, die Ablagerungen, Algen, die gebrochenen Farben und Nuancen austrocknender und ausgetrockneter Wasserstellen aufgenommen als Inspiration für den kalligrafischen Widerhall, wenn die Natur in ihren vielfältigen Erscheinungen den Maler zur ungebremsten Kreativität einlädt.

 

Anna Schmid

Anna Schmid ist eher eine jener Holzkünstlerinnen, die sich mit ihren spannungsvollen Holzskulpturen einen Namen gemacht hat. Die gebürtige Bernerin, die in Spiez lebt und arbeitet, lässt ihre mit der Motorsäge geschaffenen Skulpturen, archetypische Formen, die allgegenwärtig sind, grenzen- wie zeitlos in ihrem Ursprung wirken.

Aber so kraftvoll die schöpferische Auseinandersetzung mit dem Material Holz auch ist, so filigran und sinnlich ist ihr formaler Effekt: Da wirken manche wie aus Papier gefaltet, andere wachsen totemartig schlank in die Höhe oder bilden reliquienartige Hüllen respektive elegante Gitterwände, ornamentale Kreise türmen sich zu einem architektonisch fragilen Gleichgewicht auf, formen fremdartige Chiffren. Manche erscheinen wie mehrteilige Elemente und bestehen doch nur aus einem Stück, andere erinnern an riesige Echsenschwänze. Täuschung und Irritation sollen den Fokus der Betrachter auf Form und Inhalt richten und die starke Präsenz des Materials in den Hintergrund rücken. Stets ist ihnen eine ganz reliktartige Bedeutung rudimentärer menschlicher Momente zu eigen.

«Ich möchte, dass in jeder meiner Arbeiten etwas sichtbar wird, ein Teil aber auch Geheimnis bleibt. Meine (Ab-)Sichten sind enthalten, aber es bleibt Raum für die Frage und Antwort des Einzelnen», beschreibt die Künstlerin ihre gestalterische Intention, wenn die 1964-Geborene mit der Kettensäge, regelmässig kerbend oder schnitzend dabei die Baumstämme und -teile zu filigranen Objekten bearbeitet, bis deren Oberflächen sich scheinbar in andere Materialien als Holz zu verwandeln scheinen. Gleichzeitig werden die Eigenheiten der Natur des Holzes, deren  Beschaffenheit, Faserigkeit, die Farben und Unregelmässigkeiten in den  Gestaltungsprozess mit einbezogen.

Virtuos geht Anna Schmid bis an die Grenzen von Form und Statik, Kompaktheit und Transparenz, lotet die Möglichkeiten des Materials und der Motorsäge aus, stets konzentriert auf die formale Sprache nativer Zeichen: Lesbar sind ihre Arbeiten für alle und doch individuell, einfach und erhaben. Wandelbar in der gestalterischen Grundidee, lassen diese Holzskulpturen dem Betrachter Raum für eigene Entdeckungen und für die eigene Fantasie.

 

Brigitte Marionneau

«Mais qui dit la terre, dit aussi l’eau et le feu» – ja, wer Erde sagt (und meint), der sagt auch Wasser und Feuer. Eine Notation der französischen Keramikerin Brigitte Marionneau, die ihre keramische Intention umfasst. Wobei, der Wind auch eine – allegorische – Rolle spielt, wie das Licht, das Schwarze, die Linie.

In Brigitte Marionneaus keramischen Skulpturen und Raku-Töpferwaren zeigt sich das Lichte der Farbe Weiss und das kohlenschwarze Dunkel, Tuschezeichen gleich, als formale Gleichheit von Strenge, Klarheit und der Weichheit des Reinen.

Brigitte Marionneaus erster gestalterischer Ausdruck war eher erzählerischer Natur, Figurationen, die mit verschiedenen Reisen nach Arizona und Afrika verbunden waren. Doch vor gut zehn Jahren fand in Brigitte Marionneaus künstlerischem Werk eine rigorose Umkehrung statt – die skulpturale Abstraktion in Weiss und Schwarz wurde zum Thema, zur neuen Bildsprache dieser Künstlerin. Die 1958 Geborene liess sich in den 1980er Jahren von Camille Virot in der Raku-Technik ausbilden und lebt seit 1989 in der Nähe des berühmten Keramikerdorf La Borne.

Ihre Keramiken wollen keine Geschichte mehr erzählen, keine kulturelle Bedeutung bespielen. Ihre Skulpturen und Gefässe sind einfach da, nur die Linie, die Form und das Licht zählen. Wichtig ist die abstrakte, die wesentliche Form, eher architektonisch konstruiert oder an von Wasser und Wind geglättete steinerne Gebilde erinnernd, dennoch auch Körper, geschmeidig und in der Monochromie mit dem Licht spielend.

Sie gleichen Monolithen, wie tektonische vieleckige Fragmente, in der Oberfläche glatt, oftmals kantig und felsig-elegant, andere wirken bei aller Ungegenständlichkeit wie skulpturale Torsi, und lassen doch auch die Variationen menschlicher Topografien anklingen. Manche enthalten kleine gestalterische Freiheiten wie einen Felsvorsprung, Kanten und Schrägen, in anderen beleben feinste Schraffuren und grafische Elemente das Erratische. Selbst in den Gefässen findet sich die Reduktion von Farbe und Form, von Licht und Dunkel, das Wesenhafte von Einfachheit und Verfeinerung. Die Farben sind samtig-klares Weiss, andere beschreiben die Variationsmöglichkeiten, das Schwarz zu modulieren, glatt oder strukturiert, so dass das Licht spielen kann. Melierte Spuren finden sich, in die schwarze Oberfläche eingewirkte strukturierte Zeichen.

Aber trotz aller Rigorosität zeigt sich bei der französischen Keramikerin auch die Sinnlichkeit des Materials, die Spannung der strikten Form im Spiel mit der Vitalität der Linien. Für Brigitte Marionneau ist ihre Umgebung ihre Inspiration, gerne zitiert sie den grossen rumänisch-französischen Bildhauer Constantin Brâncuşi: «Mein Land ist die Erde, die sich dreht, die Brise, die vorbeifahrenden Wolken». Dies alles ist auch in ihren Keramiken enthalten.

 

Sophie Favre 

Die Fabel, sie ist seit der Antike eine beliebte Erzählform, um menschliche Eigenschaften zu beschreiben, wobei das Belehrende und die Pointe, die meist zusammenfallen, nicht zu kurz kommen.

Bei Sophie Favre, sie wurde 1950 in Grenoble in eine Künstlerfamilie geboren, die Eltern Keramiker, ist es ähnlich und doch ein bisschen anders. Ihre vielgestaltige Menagerie präsentiert eine seltsame Artenvielfalt, die die skurrilsten Charaktere offenbart, ohne belehrende Untertöne oder tiefer greifende Interpretation – die ja letztendlich subjektiv bleibt. Denn Sophie Favre ist eine ebenso feinsinnige wie raffinierte Fabuliererin mit ihren schrägen Geschichten, wenn sie diese Hasen-Hund-Schwein-Katzen-Vogel-Gesellen, die irgendwie menschliche Züge tragen, und die ebenso schrägen, seltsamen Menschen zu allegorischen Attitüden vereint.

Dabei ist Sophie Favre eigentlich eine Spätberufene in Sachen Keramikkunst. Sie studierte Malerei an der Ecole Nationale des Beaux Arts, Paris, lernte erst mit 30 Jahren bei ihrer Mutter das Gestalten mit Ton und entwickelte schnell eine Leidenschaft für dieses Material, die sich im Charme ihrer grotesken wie skurrilen Wesen widerspiegelt. Sie arbeitet mit verschiedenen Arten von Lehm und Farbnuancen in Ocker, Weiss oder Grau und gibt ihren Skulpturen einen ganz besonderen Stil aus versponnener Dramatik und feiner Süffisanz.

Die Schönheit ihrer Figurationsmannigfaltigkeiten liegt dabei eher im Verborgenen, im Fabelhaften der irgendwie vertraut wirkenden Geschichten dahinter: korpulente Wesen, kräftige Körper, hervorstechende Zähnchen, wuchtige Backen, Nagetierköpfe und -mienen, grosse Ohren, die an Hasen denken lassen, melancholische Augen, die doch allesamt liebenswert wirken mit den menschlichen Zügen der Tierwelt und dem tierischen Moment in den menschlichen Figuren. Allesamt aus Fabeln geschlüpft, um uns, den Betrachtenden, mit feiner Ironie die Pointe des Lebens als eigenwillige – und ein wenig unbegreifliche – Poesie zu erzählen. Ihre Figurationen sind aber auch versteckte Botschaften und Geschichten, ob persönlich oder nur subjektiv, das lässt die Künstlerin offen, die vom Lebendigen ebenso inspiriert ist wie vom Unkonventionellen, vom Lustigen wie Tragischen, vom Schönen wie vom Hässlichen, von der Malerei der flämischen Renaissance wie von Comics, von Menschen und Tieren auf der Strasse, von ihrem täglichen Leben. Wobei sich die Inspirationen stetig wandeln, überlagern, ineinander greifen und weiter entwickeln.

Seit einigen Jahren hat Sophie Favre ihre Figuren zur Malerei erweitert, die jetzt – ob Mensch oder Tier – zu zeitlosen Porträts werden, augenzwinkernd, sensibel und nostalgisch unterlegt.

Eva Buhrfeind, September 2017